Im Oktober 1957 wurde mit dem Egon-Hofmann-Haus in Linz ein ganz besonderes Gebäude eröffnet. Einem privaten Verein von Kunstinteressierten und Wirtschaftstreibenden war es mit Unterstützung seiner zahlreichen Mitglieder und mit Hilfe von Stadt und Land gelungen, im „Dörfl“ am Römerberg ein Atelierhaus zu errichten. Die neun Arbeitsräume werden seither und kontinuierlich bis zum heutigen Tag von Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Disziplinen genutzt.

Fritz Fanta: Skizze Atelierhaus, 1956, Archiv-Egon Hofmann-Haus
Entwurfszeichnung von Architekt Fritz Fanta, Archiv des Egon-Hofmann-Hauses

Die Vorgeschichte beginnt im Linz der Nachkriegszeit. Im Jahr 1953 erging eine Einladung an unterschiedliche Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und Politik, an Vertreter von Stadt Linz und Land Oberösterreich zur Ersten Linzer Kulturtagung. Nach dem Vorbild des Kulturkreises der Deutschen Industrie sollte im Rahmen der Tagung ein Verein von Wirtschaftstreibenden ins Leben gerufen werden, der Kulturring der Wirtschaft Oberösterreichs, um künftig in der Förderung von Kunst und Kultur „bahnbrechend und beispielgebend voranzugehen.“ Die Gründungsmitglieder waren Gustav Kapsreiter, Herbert Müllersen, Margarita Hatschek, Kurt Holter, Walter Kasten*, sowie der Namensgeber des Hauses: der Linzer Maler Egon Hofmann.

Anfangs wurden künstlerische Arbeiten angekauft. Als deutlich wurde, dass es der jungen Kunstszene in Linz und Oberösterreich vor allem an geeigneten Arbeitsräumen fehlte, entschieden sich die damaligen Mitglieder für den Bau eines Atelierhauses – ein Vorhaben, das finanziell kaum machbar schien. Mit Geschick und Durchhaltevermögen, mit Unterstützung von Land Oberösterreich und Stadt Linz sowie Spendengeldern und Materialgaben der über siebzig Mitglieder aus der Wirtschaft konnte 1956/57 das Atelierhaus am Römerberg auf einem Grundstück der Stadt errichtet werden. Eröffnet wurde es am 20. Oktober 1957.

Errichtung Ateliertrakt, 1956, Archiv des Egon-Hofmann-Hauses

Die Errichtung des Hauses war eine wirkliche Gemeinschaftsleistung – was die Baustelle selbst betrifft, aber auch in Hinblick auf die breite finanzielle und ideelle Unterstützung durch Privatpersonen, Betriebe und die öffentliche Hand. Neben Professionisten und Künstlern arbeiteten beim Bau auch Lehrlinge und Schüler der Bundesgewerbeschule mit ihren Lehrern mit. Die Pläne für das Haus stammten vom Architekten Fritz Fanta**. Ihm gelang es trotz budgetbedingt einfachster Bauweise mit großteils gespendeten Materialien (selbst Abbruchziegel wurden verwendet) ein Gebäude zu entwickeln, das bis zum heutigen Tag in seiner ursprünglichen Konzeption genutzt wird und 2009 als beispielhaftes Objekt seiner Zeit unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Egon-Hofmann-Haus, Südansicht, 2019

Wer heute durch den gläsernen Windfang ins lichte Foyer tritt, kann sich vom simplen, freundlichen Charme einer Architektur beeindrucken lassen, die im Wesentlichen im Originalzustand erhalten blieb. Großformatige Terrazzoplatten und der hohe Luftraum bis unters Dach verschaffen dem an sich sehr einfachen Gebäude ein wirkungsvolles Entree. Seit 1957 waren über hundert bildende Künstler:innen im Haus tätig. Drei bis fünf Jahre ist der Aufenthalt möglich. Der Kulturring (2021 umbenannt in Kulturring Egon Hofmann) unterstützt noch immer die Erhaltung des Hauses, zudem wird in unregelmäßigen Abständen ein Kunstwettbewerb veranstaltet. Das Haus war seit der Entstehung von seinem Mitgründer Walter Kasten verwaltet und betreut worden. Nach seinem Tod wurde diese Aufgabe von seiner Frau Erika Kasten weitergeführt. Sie verstarb 2014 im Alter von 97 Jahren. Im Sommer 2014 übertrug der Kulturring die Aufgabe der Verwaltung und Betreuung des Egon-Hofmann-Hauses an Margit Greinöcker, die seit 2011 als Künstlerin im Haus tätig ist.

* Walter Kasten (1902–1984) war ab 1947 Kustos der Sammlung von Wolfgang Gurlitt, der Basis der Neuen Galerie der Stadt Linz (heute: Lentos Kunstmuseum). Die Neue Galerie leitete Walter Kasten von 1962 bis 1973.
**Fritz Fanta (1906–1988) leitete von 1938 bis 1943 und wieder von 1945 bis 1971 das Entwurfsamt in Linz. Seine Arbeit prägt das Linzer Stadtbild bis heute: Er war verantwortlich für die Sanierung von Altstadt und Schlossgarten (mit dem Aufgang vom Tummelplatz), plante den Südbahnhofmarkt. Nach dem Egon-Hofmann-Haus folgten u. a. die Europaschule (1959) und die Dr.-Ernst-Koref-Schule (1961). Er setzte sich zudem für die Einrichtung einer eigenen Haushaltsstelle zur künstlerischen Ausgestaltung von städtischen Bauvorhaben ein.

# Eintrag zum Egon-Hofmann-Haus auf Wikipedia
# Buchtipp zu Leben und Werk Egon Hofmanns: Egon Hofmann-Linz. Künstler Industrieller Kosmopolit, Buch zur gleichnamigen Ausstellung, Nordico Stadtmuseum Linz, Verlag Anton Pustet, 2020